Akademievorlesungen im Schloss 2020 (1. Halbjahr)
Schlaf und Traum
Er ist eines der großen, faszinierenden Geheimnisse des Lebens: der Schlaf. Warum schlafen wir? Warum müssen wir schlafen? Was geschieht im Schlaf in unserem Körper? Ist unser Gehirn im Schlaf inaktiv? Schläft das ganze Gehirn oder nur (wie bei Delfinen und anderen Tieren) ein Teil? Ist im Schlaf unser ganzes Bewusstsein ausgeschaltet? Schläft nur das Gehirn oder auch der übrige Körper? Schlafen und träumen auch Tiere? Schlafen alle Lebewesen? Was passiert im Winterschlaf?
Die vielen beglückenden oder ängstigenden Träume im Schlaf haben seit eh und je die Menschen bewegt und zu vielen individuellen und kollektiven Bildern, Erzählungen, Phantasien und Mythen angeregt. Traumbilder beschäftigen uns vom Schlaf ins Erwachen, sie können unser Wahrnehmen und Empfinden tagelang gestalten als Bilder, Gefühle oder als Einsichten. Angst- oder Albträume verfolgen uns, Erinnerungs- oder Erwartungsträume lähmen oder befreien uns. In Sprache und Bild, in Musik und Gesang können sie uns begleiten, anregen oder hemmen. Der Schlaf-Wachrhythmus prägt unseren Alltag, unseren körperlichen und geistigen Wechsel von Erschöpfung und Erholung, unseren Arbeitsrhythmus. Wie verträgt er sich mit Schichtarbeit? Wodurch kommt es zum Jetlag? Warum freuen wir uns auf den Schlaf? Warum fürchten wir ihn? Ein vielfach ambivalentes Verhältnis und Erlebnis!
Schlaf und Traum – ein vielfältiges Phänomen mit individuellen und sozialen Konsequenzen! Seien Sie wieder herzlich willkommen zu der bunten Vortragsreihe der Akademievorlesungen im Schloss.
Der Präsident
der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft
PROGRAMM
Di., 18.02.2020, 18.30 Uhr
Prof. Dr. Evgeni Ponimaskin und Dr. Alexander Wirth
Zentrum Physiologie, Zellulare Mikrobiologie, Medizinische Hochschule Hannover
Schlafphysiologie – die Notwendigkeit der geistigen Abwesenheit
Obwohl wir ungefähr ein Drittel unseres Lebens in diesem Zustand verbringen, fangen wir erst langsam an zu verstehen welche Rolle der Schlaf und vor allem erholsamer Schlaf spielt und das nicht nur für unsere Gesundheit.
Neue Forschungsergebnisse bringen immer mehr neue faszinierende Erkenntnisse an den Tag und zeigen uns, welche Vielzahl an Prozessen in diesem Zustand ablaufen. Dass der Schlaf als solches für uns und viele andere Lebewesen essentiell ist, wissen wir schon lange. Schlaf und Traum faszinierten schon die alten Griechen in Form von Hypnos und Morpheus, und auch heute interessieren sich immer mehr Menschen für den Schlaf – nicht zuletzt weil er vielen Menschen Probleme bereitet.
Traum- und Tiefschlaf, Lernen und Erinnern, Verarbeiten von Emotionen und den Körper aufräumen und von unnötigem Abfall befreien – kommen Sie mit auf eine Reise zu verborgenen physiologischen Prozessen.
Di., 17. 03. 2020, 18.30 Uhr bis auf Weiteres verschoben
Dr. med. Jörn Schröder-Richter
Oberarzt, Abteilung Pneumologie Klinikum Braunschweig
Wozu dient ein Schlaflabor?
Schlaf ist meist ein problemloser aber etwas mysteriöser Teil unseres Lebens. Die meisten Menschen fangen erst an, über den Schlaf nachzudenken, wenn damit etwas nicht stimmt oder wenn sie tagsüber nicht so wach sind, wie sie sich wünschen. Schlafstörungen gehen oft mit Unregelmäßigkeiten des Atem- und Herzrhythmus einher. Da sich große Teile des Schlafs unserem Bewusstsein und Erinnern entziehen, fällt es schwer, darüber sichere Aussagen zu machen.
Im Schlaflabor wird versucht, etwas Licht in das Dunkel unseres Schlafs zu bringen. Dabei können mit verschiedenen Methoden Zustände des Schlafs beschrieben und objektiviert werden. Zudem lassen sich Störungen nachweisen, die den betroffenen Personen nicht bewusst sind. Das Schlaflabor kann viele Dinge erkennen, die allein aus den Beschwerden des Patienten und seiner Erinnerung nicht zutage gefördert werden können. Wie und mit welchen Methoden dies möglich ist, und wo die Grenzen der Erkenntnisse sind, soll dieser Vortrag zeigen.
Mi., 29. 04. 2020, 18.30 Uhr bis auf Weiteres verschoben
Prof. Dr. phil. nat. Stephan Steinlechner,
Institut für Zoologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Leben auf Sparflamme. Oder: Warum Winterschlaf kein Schlaf ist.
Über das Phänomen Winterschlaf existieren viele falsche Vorstellungen und Konzepte. Die deutsche Bezeichnung „Winterschlaf“ suggeriert, dass es sich dabei um eine Art lang andauernden Tiefschlaf handelt – was aber nicht zutrifft. Es wird ein kurzer Überblick über unser heutiges Wissen gegeben; aber auch einige der immer noch offenen Fragen werden angesprochen.
Die unterschiedlichen Begriffe „Winterschlaf“, „Winterruhe“, „Winterstarre“ und „Torpor“ sollen geklärt werden und welche Phänomene damit beschrieben werden. Vieles spricht dafür, dass es ein Kontinuum mit fließenden Übergängen gibt, die letztlich alle ein Leben mit (unterschiedlich stark) reduziertem Energieverbrauch erlauben. Auch kennen wir heute immer mehr Tierarten (selbst tropische Primaten!), die ihren Stoffwechsel auf Sparflamme schalten (können).
Mi., 27. 05. 2020, 18.30 Uhr bis auf Weiteres verschoben
Dr. Thomas Richter
Direktor des Herzog Anton Ulrich Museums Braunschweig
Von Schrecken und Erfüllung – Motive des Träumenden und des Traumes in der Bildenden Kunst
Im Traum formen sich Wünsche und Ängste des Menschen zu Bildern. Künstler haben zu allen Zeiten in Traumdarstellungen eigenem Erleben, Berichten und Mythen lebendige Anschaulichkeit verliehen. Die Maler in den Höhlen von Lascaux träumten von reichen Jagdgründen, die ihren Familien das Überleben sicherten. Die Bibel und mit ihr die Überlieferungen aller Weltreligionen sind reich an Traumberichten und -deutungen. Verheißungen gehen in Erfüllung, Prophezeiungen brechen über Menschen herein. Lange Zeit war die Vorstellung bestimmend, dass uns die Träume aus einer göttlichen Sphäre gesendet werden. Als Ordnungen und eschatologische Heilsvorstellungen wankten, stellte die Moderne mit dem Individuum das individuelle Erleben ins Zentrum. Der Bildvortrag bietet in diachroner Perspektive einige Beispiele für den Wandel von Traumdarstellungen in der europäischen Kunst.
Di., 23.06.2020, 18.30 Uhr bis auf Weiteres verschoben
Dr. phil. Carolin Bohn
Institut für Germanistik, Abteilung Neuere Deutsche Literatur, TU Braunschweig
Im Schlaf und am Tag: Sprachen des Traums und die Literatur.
Sigmund Freud entwickelt in seiner "Traumdeutung" (1900) Methoden, um Botschaften von Träumen zu entschlüsseln und sie zur Klärung - d.h.
Bewusstwerdung - unbewusster Prozesse zu nutzen. Er erforscht die Darstellungslogik und die Bilder-Sprache, die der Traum unter der Kontrolle des inneren Zensors und der Erfahrungen des Träumers nutzt.
Traumbilder sind komplexe "Übersetzungen", nie wirklich 'original'.
Freud spricht hier von "Verdichtungs-" und "Verschiebungsarbeit" mit der "Rücksicht auf Darstellbarkeit". Die ursprüngliche Botschaft wird verkehrt und buchstäblich entstellt, einzelne Bestandteile seiner Geschichte werden verschoben oder überbetont, komplexe Zusammenhänge radikal verkürzt. Spannend ist nun, dass sich in literarischen Texten ganz ähnliche Verfahren finden lassen, wie der Vortrag anhand von Marcel Proust und Heimito von Doderer zeigen wird.